Dem Tipp eines Bekannten folgend, habe ich mein Teleskop ausnahmsweise auf Cyan gerichtet, um mir ein Bild vom Leander zu machen. Kein besonders schönes Unterfangen, in die Tiefen der geistigen Trägheit des Cyan zu blicken, und so musste ich mich überhaupt erst einmal an die Leere gewöhnen. Für spätere Wiedersehen und für Mutige, die sich, warum auch immer, auf diesen Planeten wagen wollen, habe ich ein kleines Einmaleins der Diskurs-Logik Cyans entwickelt. Die Beschreibungen sind etwas ungenau, sie entsprechen nun mal den Beobachtungen aus der Ferne, zumal nur denen des einen Fadens, den ich observierte. Ergänzungen sind natürlich gern willkommen.
1. Die erste Regel – In der Regel gehört die erste Regel zu den wichtigsten Regeln; das ist hier nicht anders. Bevor man die anderen erlernt, muss man die erste Regel kennen, denn sie bereitet den Boden für den Rest, der sich auf ihn stützt. Andersrum käme man durcheinander, würde man den Rest, statt von der ersten Regel aus, im eigenen Sinn verstehen, zum Beispiel im Sinn einer alltäglichen und damit bewährten Logik. Genau das jedoch wäre falsch, denn jener Sinn wird in just dieser Regel einfach außer Kraft gesetzt. Die erste Regel lautet: Die bekannte Logik ist ungültig.
2. Das Wort – Auf Cyan ist ein einzelnes Wort wichtiger als die Aussage. Man sollte also darauf achten, stets exakt, verständlich und nachvollziehbar zu schreiben; andernfalls erwarten die Diskutanten, dass man das falsch gewählte Wort trotzdem verteidigt, sonst würde die Argumention komplett ungültig – dem Wahrheitsgehalt der Intention oder der übrig gebliebenen Argumente ungeachtet.
3. Definiens –
Für den Cyan-Bewohner ist bereits ein Teil des Definiens für eine Definition ausreichend. Dadurch steht ein Hobby z.B. nicht mehr für eine leidenschaftlich ausgeübte Arbeit, sondern für jedes Tun oder Nicht-Tun. Das hat durchaus seine Vorteile, denn so kann man den eigenen, sonst eher mageren Hobby-Katalog um ein paar gehaltvolle Beschäftigungen bereichern, wie Kaugummikauen, Kopfschmerztabletten, Morden oder Fahrkarten kaufen.
4. Die Sache – Um die Diskussionen zu verstehen, muss man bedenken: Es geht nicht um den Gegenstand der Diskussion! Das mag widersprüchlich klingen, aber denke an Regel 1: Der Satz vom Widerspruch hat auf Cyan keine Bedeutung!
Man könnte im Diskurs seinen Standpunkt ausführlich oder weniger ausführlich darlegen, und danach Streitpunkte mit anderen Standpunkten besprechen. Nicht jedoch auf Cyan: Hier wird irgendein Standpunkt genommen, zitiert und irgendwie auseinander genommen – gerne im Zirkel, selten im infiniten Regress. Der Gegenstand wird deshalb unwichtig, weil es dann nur noch um die Argumente selbst geht.
Daran tatsächlich zu partizipieren und Spaß zu haben ist möglich, sofern man den Diskurs als Spiel versteht – jedoch kann man sich so auch Ärger einhandeln, mit Personen die ihn für ernst und sachlich halten und
die zudem sowieso keinen Spaß verstehen.
5. Übertreibung – Man könnte es als legitim erachten, zu sagen, die Kanzlerin sei Ursache für Schlafkrankheiten in Deutschland, denn man würde dies als Scherz verstehen – nicht so auf Cyan.
Übertreibungen sind gültige Argumente.6. Vergleiche – Der Vergleich auf Cyan ist eine schwierige Sache. Einerseits werden
fragwürdige Vergleiche gesetzt, andererseits werden Vergleiche abgelehnt. Ein Vergleich ist nicht unbedingt etwas schlechtes, er hilft Zusammenhänge schneller zu verstehen und kann Möglichkeiten für eine Hypothese vorgeben. Nun wird ein Vergleich auf Cyan leider zu 100% ernst genommen. Das hat zwangsläufig die Erkenntnis zur Folge, dass der Vergleich als 1:1-Model (was ein Vergleich ja eigentlich auch nicht sein soll) ungeeignet ist, woraus die Konklusion geschlossen wird: Vergleiche sind sinnlos. Dass Teile der Vergleiche trotzdem stimmen könnten, ist dabei unwichtig, siehe nächste Regel.
7. Falsche Dilemma und das Strohmann-Argument – Auf Cyan gilt sehr oft Entweder-Oder; und das in fast jeder Hinsicht, ob Sache, Subjekt oder Aussage. Gibt es nur einen Fehler, kann nichts mehr am Gesagten stimmen. Für Argumente gegen Subjekte gilt: ‚tu quoque‘, wenn du nicht, dann ich auch nicht – egal ob’s richtig ist.
Man könnte zum Regelkatalog fast jeden Fehlschluss zählen. Das gute, wahre Argument ist das Strohmann-Argument. Und logische Argumente? Siehe Regel 8.
8. Meinung – Wie kann man also aus diesem Wettkampf als Sieger hervorgehen? Ganz einfach: Mit seiner Meinung. Es ist auf Cyan fast Konsens, dass Meinung die letzte Antwort auf alles ist. Somit ist auch jede Aussage, die sich auf die eigene (und nur die eigene!) Meinung stützt, unmittelbar wahr. Beim Holocaust sind ungefähr sechs Millionen Juden gestorben. Auf Cyan eine Meinungsfrage.
9. Troll – Jemand, der sarkastisch ist oder seine Ansicht polemisch verteidigt, ist auf Cyan ein Troll. Und nicht etwa jemand, der mit
übelster Eristik einen auf den Leim führen möchte…10. Wahrheit – Wahrheit ist auf Cyan das, was jemand mit
„ist“- oder „hat“-Sätzen behauptet. Ich kann mich zwar nicht an folgende Konstellation im observierten Faden erinnern, möglich wäre aber selbst, dass man lediglich sagt, eine Sache sei die Wahrheit. Also: XYZ ‚ist‘ wahr. Zumindest ist es vorerst nicht notwendig, die Behauptung zu begründen oder zu beweisen.
11. Argumentum ad hominem – Eine indirekte Beleidigung ist keine Beleidigung.
Den Regeln entsprechend empfiehlt sich also folgende Argumentationstaktik: Man suche sich irgendeinen Post (4), wähle daraus ein Wort (2), definiere es mit lediglich einem Teil des Definiens (3), übertreibe den so konstruierten Widerspruch (5, 7) und beleidige den Diskutanten indirekt (11). Argumentiert er sachlich, wende Regel 8 oder 10 an, rastet er aus, nenne ihn einen Troll (9); spielt er aber mit, ziehe Vergleiche oder kritisiere sie (6) und bediene dich Strohmann-Argumenten (7).